Ohne Busse und Hochbahn geht in Hamburg nichts - Zum Streik der Beschäftigten von Hochbahn und VHH

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Morgen, am 28. November 2020, werden U-Bahnen und Busse in Hamburg bestreikt . Wer sich darüber ärgert, sollte auch die Perspektive der Arbeitnehmer:innen einnehmen und Verständnis für die aufbringen, die “systemrelevant” sind (um diesen beliebten und mittlerweile ausgeleierten Begriff zu benutzen), aber nicht entsprechend relevant bezahlt werden. 

Wir sind mit den Streikenden solidarisch und veröffentlichen daher den Brief der Gewerkschaft ver.di an alle Hamburger:innen im Wortlaut. 

 

Liebe Hamburgerinnen und Hamburger,  

 

Sie kennen uns - wir fahren Sie in den Bussen und U-Bahnen von A nach B, wir halten die Servicestellen des HVV am Laufen, wir sorgen dafür, dass sich auch alles reibungslos bewegt. Und das alles, damit sie zu jeder Tageszeit, an jedem Wochentag Ihr Ziel erreichen. Wir machen das gerne, aber wir wollen dabei nicht kaputtgehen und bitten daher um Ihr Verständnis, wenn wir gezwungen sind, alles stehen- und liegenzulassen, damit sich an unseren Arbeitsbedingungen etwas verbessert. Streik ist immer das letzte Mittel, das ist uns bewusst, aber glauben Sie uns bitte, dass uns solche Entscheidungen nie leichtfallen. Die HOCHBAHN hat die Verhandlungen für gescheitert erklärt und bewegt sich keinen Millimeter.

 

Bei uns bedeutet Schichtarbeit, dass eine Schicht bis zu 10 Stunden dauern kann, bei sogenannten “geteilten Diensten” sogar bis zu 14 Stunden. Eine Anfrage an den Senat hat unsere Erfahrungen bestätigt: Im Fahrdienst haben wir durchschnittlich nur etwa jeden zweiten Sonntag frei, viele weniger. Überstunden gehören zu unserem Job wie der Führerschein, und die Fahrgastzahlen sind allein in den letzten 10 Jahren im HVV um 21% gestiegen. Bundesweit ist die Belastung hoch, ebenso die Krankenstände. In 60% der Unternehmen fallen regelmäßig Fahrten wegen Personalmangels aus. Über 70% von uns arbeiten regelmäßig 3 Stunden länger als vereinbart pro Woche. Unsere Bus- und Bahnfahrer*innen leiden darunter, dass sie entweder durch enge Fahrpläne und hohes Verkehrsaufkommen kaum Zeit für den Weg zur Toilette haben oder in geteilten Diensten ohne Bezahlung stundenlang auf ihren Einsatz warten müssen. 

 

Deswegen befinden wir uns gerade in einer Tarifauseinandersetzung - uns geht es um Entlastung! Die Arbeitgeber im Hamburger ÖPNV (Hochbahn und VHH) sagen uns, dass dafür kein Geld da sei. Wir sollen uns mit dem Abschluss aus dem öffentlichen Dienst zufriedengeben und vergessen dabei, zu erwähnen, dass sie Ende der 90er Jahre Absenkungen durchgedrückt haben, unter denen wir heute noch leiden. Unsere Löhne sind nicht mit dem öffentlichen Dienst vergleichbar, denn dort verdienen die Kolleg*innen um die 500 Euro mehr im Monat. Wir empfinden es als eine Frechheit, dass wir eine 1 vor dem Komma als gute prozentuale Steigerung ansehen sollen, während herauskommt, dass der Vorstandsvorsitzende der HOCHBAHN, Herr Falk, im letzten Jahr eine Erhöhung von über 18% erhalten hat. Allein seine Gehaltssteigerung beträgt deutlich mehr, als die meisten von uns im ganzen Jahr verdienen, oft das Doppelte dessen.

 

Die Erwartungen an den Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) sind in den letzten Jahren massiv gestiegen. Die Bedrohung durch den Klimawandel verlangt nach einem starken ÖPNV, der elementar für den klimagerechten Verkehr einer Großstadt wie Hamburg ist. Die Politik hat als Ziel den Hamburg-Takt festgelegt und möchte dadurch die Mobilität von uns allen erleichtern. Alles schön und gut und auch wichtig, aber denkt auch jemand an die Arbeitsbedingungen? Wie soll ein nachhaltiger ÖPNV funktionieren, wenn die Arbeitsbedingungen nicht nachhaltig sind? 

 

Wenn die Unternehmen nicht willens dazu sind, muss die Politik aktiv werden und sich klar zu notwendiger Entlastung im ÖPNV positionieren. Der ÖPNV ist teil der öffentlichen Daseinsvorsorge, die Verantwortlichen in dieser Stadt müssen Stellung beziehen. Wir alle leben in Hamburg und brauchen einen guten ÖPNV. Wir kämpfen dafür - am liebsten mit Ihnen gemeinsam. 

 

Ihre Beschäftigten der Hamburger Hochbahn AG und der Verkehrsbetriebe Hamburg-Holstein

 

 

Anmerkung: Die S-Bahnen sind nicht betroffen, da diese als selbständige Tochter von der Deutschen Bahn betrieben werden.