Konjunktur der Männlichkeit – Affektive Strategien der autoritären Rechten (Birgit Sauer/Otto Penz, Campus-Verlag)

Gernot Wolter

Buchvorstellung:

Konjunktur der Männlichkeit – Affektive Strategien der autoritären Rechten (Birgit Sauer/Otto Penz, Campus-Verlag)

Dass Affekte/Emotionen ein wesentlicher Teil von politischer Mobilisierung sind, sollte eigentlich eine Binsenweisheit sein, ist es aber tatsächlich in der – linken - Praxis nicht. Der Publizist Paul Mason schreibt das in seinem Buch über Faschismus dem marxistischen Anspruch auf Wissenschaftlichkeit zu – Affekte können aber in der direkten Auseinandersetzung nicht erfolgreich durch Fakten gekontert werden. Der Begriff des „linken Populismus“ scheint aber auch falsch gewählt, weil auf der Linken Populismus als untrennbar mit antidemokratischen Politiken verknüpft verstanden wird.

Paul Mason konstatiert, dass er Frauenfeindlichkeit als „Einstiegsdroge zum modernen Faschismus“ bezeichnet und er führt aus: „Nur wenige Rassisten haben tatsächlich ihren Arbeitsplatz an einen Immigranten verloren. Aber jeder heterosexuelle Mann kann den Unterschied zwischen der Ideologie der „Männlichkeit“ und der Realität spüren, in der die Frauen zunehmend ihre eigenen Normen für Schönheit und sexuelles Verhalten definieren können“.

Und Frauenfeindlichkeit ist der gemeinsame Nenner aller faschistischen Bewegungen: alle träumen von einer ethnischen Vorherrschaft, aber in „Nordamerika sind sie Weiße, in Europa Europäer, in Indien Hindus, in Brasilien oder Bolivien Nachfahren der europäischen Kolonialherren. Die Misogynie hingegen ist eine universelle Sprache.“

Sauer/Penz widmen sich nun ausführlich den Mobilisierungsstrategien der extremen Rechten in Österreich und Deutschland. Es sind affektive Strategien, die unheimlich wirksam sind. Sie können sehr schlüssig nachweisen, dass im Umfeld der Mehrfachkrise insbesondere die Ideologie des Kampfes gegen die „Entmannung“ extrem anschlussfähig ist. Und diese Änderungen können von der Zielgruppe gut nachgespürt werden – vom Industriearbeiter zum Dienstleister mit „soft skills“, vom Familienvorstand zum „nur“ gleichberechtigten Partner und vom herrschenden Geschlecht zu einem, das jenseits der Biologie plötzlich sehr vielfältig auftritt. Wenn der Faschist Höcke davon spricht, dass Männer wieder männlich, mannhaft und damit wehrhaft (die weiße Frau, das Vaterland verteidigend) werden sollen, kann man(n) die Klebrigkeit dieser Fliegenfalle kaum abschütteln.

Und Sauer/Penz weisen nach, dass es sich hier um die Kernstrategie der extremen Rechten handelt, die eben auch zum Teil durch konservative, demokratische Parteien mitgetragen und damit diskutabel gemacht wird (siehe ÖVP oder Hamburger CDU).

Bei der Frage, was nun zu tun ist, bleiben Sauer/Penz etwas elfenbeintürmig und sprechen vom Aufbau einer affektiven Demokratie, ohne dies weiter zu vertiefen. Paul Mason sagt klar: „Der Kulturkampf in den Arbeitergemeinden ist nicht zu vermeiden“, auch wenn dies Stimmen kostet. Er verweist darauf, dass es letztlich die Machtlosigkeit der Menschen „auf beiden Seiten des kulturellen Grabens“ ist, die den Rahmen der Auseinandersetzung bildet.

Gerade der durchaus erhebliche Erfolge verzeichnende Queer-Feminismus zeigt doch, dass Kämpfe viele Menschen motivieren und - nie vergessen – viele Menschen aus unerträglichen Zwängen befreien können – es darf nur nicht dabei bleiben, sondern dieser Kampf um Freiheiten muss ausgeweitet werden. Warum muss der heterosexuelle Mann akzeptieren, dass ihm von Konservativen und Faschisten die Rolle des auf die Brust trommelnden Gorillas zugewiesen wird? Warum muss er akzeptieren, am Arbeitsplatz von der Demokratie ausgeschlossen zu sein – und verbindet ihn das nicht mit allen anderen? Können wir nicht hier in die Offensive kommen und an Affekte anknüpfen?

Ich versuche, dass für mich einmal plastisch zu machen: wenn wir in Hamburg also eine eklige Anti-Gendersternchen-Kampagne mit Unterstützung von AfD und CDU haben, dann muss diese Auseinandersetzung offensiv angegangen werden. Sozusagen der „fighting“ Genderstern, der Freiheit gegen Unfreiheit (Sprachverbote!) verteidigt und der Genderstern als Einstiegsdroge für mehr Demokratie und soziale Gerechtigkeit.

Aber es geht auch um Angstfreiheit statt Angst vor der Freiheit. Wie können wir in der Krise Menschen ihre teils lähmenden Ängste nehmen, die zum Wunsch nach Rückkehr in eine nie gewesenen Vergangenheit führen, und/oder diese Ängste produktiv umwandeln und einsetzen für gesellschaftlichen Fortschritt.